Mit dem Feminismus ist das heute so eine Sache. Es wird heute ziemlich gerne gleichgesetzt mit einer gewissen sexuellen Freizügigkeit. Wenn Frauen mit vielen Parter*Innen schlafen, kann das ein Teil davon sein. Muss aber nicht. Wir leben eben immer noch in ziemlich konservativen Zeiten. Instagramable Selflove- und Body-Positivity-Momente werden auch schon mal für Feminismus gehalten. Naja. Für mich hingegen ist Feminismus die Freiheit einer Frau, die ganz nach ihrer eigenen Wahrheit lebt. Innerlich wie äußerlich unabhängig. Egal, ob eine Blogger-Community freundlich blökt oder nicht.
Unter den Autorinnen fallen mir nur wenige Feministinnen ein: Virginie Despentes, Margarete Stokowski und Theresa Lachner. Lachner gilt in der Journaille als Deutschlands wichtigste Sexbloggerin. Sie darauf zu beschränken, wäre ein Frevel. Umso dämlicher fand ich den Klappentext ihrer gerade erschienen Biographie, die so heißt wie ihr fulminanter und sehr diverser Blog Lvstprinzip. Denn mit der angekündigten „Biographie ihres Begehrens“ lenkt man vermeintliche Leser*Innen in eine bestimmte Richtung. Während Theresa in ihrem Buch verdammt viele Haken schlägt. Und genau das macht Lvstprinzip so einzigartig, unerwartet und wertvoll.
Vordergründig geht es um das Leben Lachners als digitale Nomadin und Sexkolumnistin mit viel – keine Überraschung – Sex und allerlei Erfahrungen wie Tantra, Orgasmic Meditation und Sexparties. Natürlich ist das interessant zu lesen: abenteuerlich, ironisch, ehrlich und geerdet. Jeder Satz sitzt. Quasi ein Wortporno vom feinsten.
Ein paar Kostproben:
„Das Leben kann wirklich immer nur vorwärts gelebt und rückwärts verstanden werden.“
„Zwischen den Orten ist mein Lieblingsort. Noch nicht ganz weg und längst nicht da.“

„Ich bin eine Art Sozialarbeiterin mit größerem Impact, nebenberuflich emotionales Nacktmodell, Projektionsfläche für anderer Menschen Befindlichkeit. Ein Kratzbaum für Frustrationen und unerfüllte Sehnsüchte. Ich wurde schon höchstpersönlich für die gesamtgesellschaftliche Zunahme an erektilen Dysfunktionsstörungen und das Hotelsterben im Bayerischen Wald verantwortlich gemacht. All das passiert fast zwangsläufig, sobald man sich erdreistet, im Internet öffentlich Sachen zu sagen.“
Gerade diese wunderbar vielfältige Sprache hat mich vielmehr eingenommen als alle Darstellungen vermeintlicher Grenzüberschreitungen, an denen sich jetzt Rezensent*Innen abarbeiten. Dahinter habe ich eine Frau entdeckt, die wild, verletzlich, frei, manchmal auch unfrei, extrem selbstreflektiert und an vielen Stellen herrlich humorvoll über ihre bisherigen Lebensstationen schreibt. Und damit für mich die Auseinandersetzung mit Sex, Erotik und dem Umgang mit dem weiblichen Körper wieder in einen politischen Zusammenhang stellt.
Lachners Biographie ist das, was Pippi Langstrumpf für Kinder – vor allem Mädchen – ist: Ein Befreiungsschlag von weiblichen Klischées. Was Frauen dürfen, mögen, meinen, abfeiern und fühlen sollen. Theresa Lachner schenkt uns erwachsenen Frauen mit ihrem Buch die Deutungshoheit über das Image der Weiblichkeit zurück. Halleluja.
Wenn ich eine heranwachsende Tochter hätte, würde ich ihr Lvstprinzip möglichst schnell in die Hände drücken. Genauso wie Frauen, die versuchen, bei sich selbst anzukommen. Also vermutlich 90% des weiblichen Geschlechts in Deutschland. Wäre das klasse – und verdammt politisch -, wenn auch sie zu diesem Schluss kommen würden:
„Ab jetzt bin ich offiziell gut genug. Und zwar aus Prinzip.“ Hell yeah!
2 Responses to Warum Theresa Lachner so wichtig wie Pippi Langstrumpf ist.